Pferderecht – Tierhalterhaftung

Tierhalterhaftung bei Reitunfall

Das sogenannte Pferderecht umfasst auch Fragestellungen aus dem Bereich der Tierhalterhaftung, um die es in dieser Mandanteninformation geht.

Es sorgt häufig bei Pferdebesitzern und Reitern für Unverständnis, dass der Pferdebesitzer haften soll, wenn er einem anderem Reiter sein Pferd gefälligkeitshalber zum Reiten überlässt und es dabei zum Unfall kommt.

Dieses Unverständnis rührt daher, dass nach landläufiger Meinung für eine Haftung und damit verbundenen Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüchen ein Verschulden, d.h. ein vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten erforderlich ist.

Die Tierhaltehaftung nach § 833 des Bürgerlichen Gesetzbuches ist jedoch als Gefährdungshaftung ausgestaltet. Das bedeutet, dass grundsätzlich eine Haftung schon dann zu bejahen ist, wenn durch ein Tier ein Unfall verursacht wird, nach dem  Verschulden wird nicht gefragt.

Allerdings gibt es bei näherer Betrachtung durchaus Möglichkeiten für den in Anspruch genommenen, sich gegen einen Schadensersatz- und Schmerzensgeldanspruch des Geschädigten zu wehren.

So wurde im Jahre 2009 sowohl beim Landgericht Arnsberg, als auch beim Oberlandesgericht Hamm ein Fall aus dem Bereich des Pferdehaftungsrechtes verhandelt, bei welchem der Geschädigten letztlich kein Schadensersatz- und Schmerzensgeldanspruch zugesprochen wurde. Der Reitunfall ereignete sich auf einer Turnierveranstaltung unmittelbar im Wartebereich vor einem Springparcours.

Als das Pferd in den Parcours hinein gehen sollte, stieg es plötzlich, überschlug sich in der Folge und begrub die Geschädigte unter sich. Diese erlitt schwerste Verletzungen und befand sich allein einen Monat in stationärer Behandlung.

Bei einer solchen Fallgestaltung ist zunächst zu überlegen, ob die Gefährdungshaftung des § 833 BGB auch bei Turnierveranstaltungen Anwendung finden soll. Bei der Teilnahme an einer Turnierveranstaltung geht der Reiter nämlich ein besonderes Risiko ein, welches über das gewöhnliche Risiko hinausgeht, welches normalerweise mit dem Reiten verbunden ist.

Der Bundesgerichtshof hatte insoweit bereits einige Fälle zu entscheiden, wenn z.B. das Tier erkennbar böser Natur ist, oder erst zugeritten werden muss, oder wenn der Ritt als solcher eigentümlichen Gefahren unterlag, wie beim Springreiten oder bei der Fuchsjagd (vgl. BGH  NJW 1979, 2158; BGH NJW 1992, 2474). In solchen Fällen hat der Bundesgerichtshof eine Haftung verneint.

Im hier vorliegenden Fall war es uns möglich, das Gericht davon zu überzeugen, dass der Einlassbereich im Springparcours besonderen Gefahren unterliegt und genauso behandelt werden muss, wie das Springreiten allgemein oder z.B. die Teilnahme an einer Fuchsjagd.

Das Gericht hatte daher die Klage mit der Begründung des „Handelns auf eigene Gefahr“ abgewiesen.

Das Oberlandesgericht Hamm hat das Urteil des Landgerichtes Arnsberg bestätigt jedoch mit einer anderen Begründung, und zwar:

Auch wenn grundsätzlich eine Haftung gem. § 833 Satz 1 BGB bejaht werden muss, kann eine Haftung nach § 833 Satz 2 BGB entfallen.

Danach kommt eine Haftung dann nicht in Betracht, „wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht wird, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit, oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen  bestimmt ist und entweder der Tierhalter bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.

So verhielt es sich im vorliegenden Fall. Zum einen war der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass das streitgegenständliche Pferd dem Erwerb zu dienen bestimmt ist, da der Mandant glaubhaft dargelegt hat, dass er zumindest zum Teil auch von der Pferdezucht lebt und er das Pferd nicht zu Hobbyzwecken hält.

Des Weiteren war uns der Beweis gelungen, dass der Tierhalter bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet hat.

Hierzu gehört z.B., dass der Pferdebesitzer Einfluss darauf nimmt, welches Pferd er welchem Reiter überlässt, also dem Reiter ein für ihn geeignetes Pferd überlässt. Der Pferdebesitzer könnte sich insoweit sicherlich nicht entlasten, wenn er einem Anfänger ein hochsensibles Sportpferd zur Verfügung stellt.

Im vorliegenden Fall wurde bewiesen, dass das Pferd des Mandanten über umfangreiche Turniererfahrung verfügt und grundsätzlich äußerst brav ist.

Eine Entlastung des Pferdebesitzers nach § 833 Satz 2 BGB war danach möglich.

Fazit: Der vorgenannte Fall zeigt, dass es im Pferdesport durchaus immer wieder Konstellationen gibt, welche es ermöglichen, die für die Pferdebesitzer so ungünstigen Regelungen der Tierhalterhaftung auszuhebeln.

Mitgeteilt von Rechtsanwalt
Hendrik Langeneke
Spezialist für Pferdesportrecht